Unrealistischer Optimismus in Organisationen: Symptome und Folgen
Jul 30, 2025
Unrealistischer Optimismus ist eine kognitive Verzerrung, bei der Menschen oder Teams positive Ergebnisse überschätzen und Risiken unterschätzen. In Unternehmen führt dieser Denkfehler zu erheblichen Problemen – insbesondere in der Projektplanung, Entscheidungsfindung und bei Veränderungsprozessen.
Die zentrale Frage dieses Beitrags lautet:
Was sind die Symptome unrealistischen Optimismus im organisatorischen Kontext?
Die Antwort zeigt sich in verschiedenen Bereichen – von fehlerhafter Planung über gescheiterte Transformation bis hin zu unrealistischen Erwartungen an sich selbst und andere.
1. Symptome in der Projektplanung und -umsetzung
Zeitverzug und Kostenüberschreitungen
Unrealistischer Optimismus führt dazu, dass Zeit- und Ressourcenaufwand systematisch unterschätzt werden. Das führt zu Verzögerungen im Projektverlauf und höheren Kosten – besonders sichtbar bei großen Bauprojekten, in denen Risiken nicht realistisch eingeplant werden (Son et al., 2011).
Überschätzte Prognosefähigkeit
Optimistisch voreingenommene Entscheider überschätzen oft ihre Fähigkeit, zukünftige Entwicklungen vorherzusagen. Das erhöht das Risiko fehlerhafter Zeitpläne, ungenauer Budgets und mangelnder Risikovorsorge (Sarathchandra, 2018).
2. Auswirkungen auf Veränderungsprozesse
Lücke zwischen Ziel und Realität
In Transformationsprojekten kann übermäßiger Optimismus dazu führen, dass ambitionierte Ziele gesetzt werden, ohne die operative Realität zu berücksichtigen. Die Folge: Erwartungen werden enttäuscht, Veränderung scheitert (Burrow, 2020).
Unfähigkeit zur Korrektur
Wird der Optimismus-Bias nicht erkannt, fehlt die Möglichkeit zur Kurskorrektur. Organisationen laufen Gefahr, sich selbst zu blockieren und Veränderungsprojekte zu untergraben (Burrow, 2020).
3. Verhalten und Haltung im Alltag
Unrealistische Erwartungen an Selbstveränderung
Mitarbeitende entwickeln überhöhte Vorstellungen davon, wie stark sie sich verändern oder verbessern können – oft begleitet von wiederholtem Scheitern und Frustration. Die sogenannte False Hope Syndrome ist gut dokumentiert (Polivy, 2001; Polivy & Herman, 2000).
Beschönigte Erwartungen im Recruiting
Auch im Bewerbungsprozess zeigt sich unrealistischer Optimismus: Neue Mitarbeitende erhalten ein verzerrtes Bild ihrer zukünftigen Rolle. Die Folge: Enttäuschung, geringere Arbeitszufriedenheit und höhere Wechselbereitschaft (Cluney, 2023).
4. Risikoabschätzung und Prävention
Risiko-Unterschätzung
In risikobehafteten Bereichen – etwa dem Gesundheitswesen während der COVID-19-Pandemie – kann unrealistischer Optimismus dazu führen, dass persönliche Risiken unterschätzt und Schutzmassnahmen vernachlässigt werden (Pivovar et al., 2022; Salgado & Berntsen, 2021).
Fazit
Unrealistischer Optimismus beeinflusst Entscheidungen auf mehreren Ebenen: in der Planung, bei Veränderungsvorhaben, in der Personalentwicklung und bei der Risikoeinschätzung. Das frühzeitige Erkennen dieser Verzerrung ist entscheidend, um die Mechanismen dahinter zu verstehen – und damit bewusster mit ihr umzugehen.
Referenzen:
Burrow, L. (2020). Exploring the Machinery for Calibrating Optimism and Realism in Transformation Programs: A Practical Toolkit (pp. 161–180). Palgrave Macmillan, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-030-25405-6_9
Cluney, V. M. (2023). Perceived Realistic Job Previews and Job Outcomes. https://doi.org/10.22215/etd/2023-15661
Pivovar, A., Semprebon, E., Perdoncini, N. N., Corelhano, A. R., & Torres-Pereira, C. C. (2022). The effects of the cognitive bias of unrealistic optimism in the adoption of preventive measures against COVID-19 in dentistry. Revista Brasileira de Medicina Do Trabalho, 20(01), 105–112. https://doi.org/10.47626/1679-4435-2022-834
Polivy, J. (2001). The false hope syndrome: unrealistic expectations of self-change. International Journal of Obesity, 25(1). https://doi.org/10.1038/SJ.IJO.0801705
Polivy, J., & Herman, C. P. (2000). The False-Hope Syndrome Unfulfilled Expectations of Self-Change. Current Directions in Psychological Science, 9(4), 128–131. https://doi.org/10.1111/1467-8721.00076
Ruthig, J. C., Gamblin, B. W., Jones, K., Vanderzanden, K., & Kehn, A. (2017). Concurrently examining unrealistic absolute and comparative optimism: Temporal shifts, individual-difference and event-specific correlates, and behavioural outcomes. British Journal of Psychology, 108(1), 107–126. https://doi.org/10.1111/BJOP.12180
Salgado, S., & Berntsen, D. (2021). It Won’t Happen to Us. Unrealistic Optimism Affects COVID-19 Risk Assessments and Attitudes Regarding Protective Behaviour. Journal of Applied Research in Memory and Cognition, 10(3), 368–380. https://doi.org/10.1016/J.JARMAC.2021.07.006
Salessi, S., & Omar, A. (2014). Cinismo organizacional: consecuencias sobre la salud mental de los trabajadores Organizational cynicism: Consequences on the mental health of workers 1.
Sarathchandra, D. (2018). Optimism Bias. https://doi.org/10.4324/9781315101859-30
Son, J., & Rojas, E. M. (2011). Impact of Optimism Bias Regarding Organizational Dynamics on Project Planning and Control. Journal of Construction Engineering and Management-Asce, 137(2), 147–157. https://doi.org/10.1061/(ASCE)CO.1943-7862.0000260