Warum kluge Führungskräfte schlechte Entscheidungen treffen

entscheidungen führungskräfte kahnemann kognitive verzerrungen Jul 29, 2025

Eine wissenschaftlich fundierte Reflexion für Führungskräfte

Führung bedeutet, Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen. Dabei verlassen wir uns auf Erfahrung, Intuition – und auf unseren Verstand. Doch gerade hochintelligente Menschen sind nicht immun gegen kognitive Verzerrungen, überhöhtes Selbstvertrauen und vereinfachende Denkstrategien, die unter Druck fehleranfällig werden.

Was auf den ersten Blick paradox wirkt, lässt sich psychologisch gut erklären.

 

1. Kognitive Verzerrungen: Wenn das Gehirn die Realität verzerrt

Kognitive Verzerrungen – also systematische Denkfehler – sind gut erforscht. Sie helfen uns, Komplexität zu reduzieren, führen aber in bestimmten Kontexten zu fehlerhaften Schlussfolgerungen.

  • Unrealistischer Optimismus: Studien zeigen, dass Menschen mit hoher kognitiver Kompetenz dazu neigen, eigene Risiken zu unterschätzen (Sternberg, 2004). Die Folge: Entscheidungen werden getroffen, ohne negative Szenarien angemessen zu berücksichtigen.

  • Egonzentrismus: Der Fokus liegt auf dem eigenen Nutzen – oft unbewusst. Die Perspektiven anderer werden nicht systematisch mitgedacht, was gerade in komplexen Führungssituationen problematisch sein kann.

  • Gefühl von Omnipotenz: Fachwissen kann zu einem Übermaß an Sicherheit führen – und zu Entscheidungen, die auf unvollständigen oder falsch gewichteten Informationen basieren.

  • Framing-Effekte: Auch kognitive Spitzenleister sind nicht davor gefeit, Entscheidungen je nach Präsentation derselben Information unterschiedlich zu bewerten (Shafir, 2001).

 

2. Heuristiken: Nützliche Abkürzungen mit Tücken

Heuristiken – mentale Faustregeln – sind essenziell für schnelles Entscheiden. Sie sparen kognitive Ressourcen, können aber unter bestimmten Bedingungen systematisch in die Irre führen.

  • Verfügbarkeitsheuristik: Ereignisse, an die wir uns leicht erinnern, erscheinen wahrscheinlicher. Das beeinflusst Risikobewertungen – häufig unbewusst (Ehrlinger et al., 2016).

  • Risikovermeidung: In volatilen Umfeldern tendieren selbst erfahrene Entscheider zu übervorsichtigen Strategien, die Innovation verhindern können (Margolis, 2000).

 

3. Übermaß an Selbstvertrauen

Intelligenz korreliert mit Selbstsicherheit – aber nicht zwangsläufig mit Urteilsfähigkeit. Der sogenannte Overconfidence Bias beschreibt die Tendenz, die eigene Fehleranfälligkeit zu unterschätzen (Sternberg, 2003).

Neuere neurowissenschaftliche Studien zeigen zudem: Unser Gehirn blendet vergangene Fehler nicht aus, sondern ruft sie bei zukünftigen Entscheidungen oft überproportional auf – was paradoxerweise wiederum zu irrationalem Verhalten führen kann (Seow et al., 2025).

 

4. Verhaltensökonomie: Intelligenz schützt nicht vor Fehlentscheidungen

Besonders im Finanzbereich werden Denkfehler greifbar. Hochintelligente Entscheidungsträger treffen suboptimale Entscheidungen – beispielsweise durch Verlustaversion, kurzfristiges Denken oder den Glauben, den Markt besser einschätzen zu können als andere (Belsky & Gilovich, 1999).

Auch spektakuläre Unternehmenszusammenbrüche – wie im Fall Enron – lassen sich auf kollektive kognitive Fehleinschätzungen zurückführen (Rapoport, 2009).

 

Fazit: Intelligenz reicht nicht aus

Kognitive Leistungsfähigkeit ist nur ein Teil guter Entscheidungen. Entscheidend ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion, zum Perspektivwechsel und zum bewussten Umgang mit mentalen Abkürzungen.

Weisheit, so Sternberg, entsteht erst durch die Kombination von Intelligenz, Erfahrung, ethischem Denken – und dem Bewusstsein für die Grenzen des eigenen Urteilsvermögens.

 

References:

Baker, H. K., Filbeck, G., & Nofsinger, J. R. (n.d.). Cognitive Biases. https://doi.org/10.1093/wentk/9780190868741.003.0002

 

Belsky, G., & Gilovich, T. (1999). Why Smart People Make Big Money Mistakes--And How to Correct Them: Lessons From The New Science Of Behavioral Economics. https://www.amazon.com/Smart-People-Money-Mistakes-Correct/dp/0684859386

 

Ehrlinger, J., Readinger, W. O., & Kim, B. (2016). Decision-Making and Cognitive Biases (pp. 5–12). https://doi.org/10.1016/B978-0-12-397045-9.00206-8

 

Keeney, R. L. (2020). Give Yourself a Nudge: Helping Smart People Make Smarter Personal and Business Decisions. https://www.cambridge.org/core/books/give-yourself-a-nudge/F9449A09F0A05B88074563EE38E602A3

 

Margolis, H. (2000). Simple heuristics that make us dumb. Behavioral and Brain Sciences, 23(5), 758. https://doi.org/10.1017/S0140525X00413440

 

Rapoport, N. B. (2009). Lessons from Enron -- And Why We Don’t Learn from Them. https://scholars.law.unlv.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1147&context=facpub

 

Seow, T. X., McFadyen, J., Dolan, R. J., & Hauser, T. U. (2025). Biased replay of aversive and uncertain outcomes underlies irrational decision making. https://doi.org/10.1101/2025.01.17.633533

 

Shafir, E. (2001). Decision Biases, Cognitive Psychology of (pp. 3296–3300). https://doi.org/10.1016/B0-08-043076-7/01608-9

 

Sternberg, R. J. (2004). Why Smart People Can Be So Foolish. European Psychologist, 9(3), 145–150. https://doi.org/10.1027/1016-9040.9.3.145

 

Sternberg, R. J. (2003). Why Smart People Can Be So Stupid. https://www.amazon.com/Why-Smart-People-Can-Stupid/dp/0300101708