Expressives Schreiben: Ein einfaches, wirksames Tool zur Stressreduktion für Führungskräfte

führungskräfte kurze übung stress reduzieren Aug 15, 2025

Als Führungskraft jonglierst du täglich mit hoher Verantwortung, komplexen Entscheidungen und oft auch mit unterschwelligem Druck. Meetings, Konflikte, strategische Unsicherheit – all das hört nach Feierabend nicht einfach auf.

Eine überraschend einfache Methode, die seit Jahrzehnten erforscht wird, kann helfen: expressives Schreiben.

Was ist Expressives Schreiben?

Expressives Schreiben ist kein gepflegtes Tagebuch und keine To-do-Liste.
Es geht darum, frei und ungefiltert über deine Gedanken und Gefühle zu einer belastenden oder herausfordernden Erfahrung zu schreiben – ohne auf Grammatik, Stil oder Lesbarkeit zu achten.

Der Mechanismus dahinter: Indem wir eine persönliche Erzählung um schwierige Erlebnisse formen, bringen wir Ordnung in komplexe Emotionen und reduzieren das sogenannte perseverative Denken – das wiederholte, negative Grübeln, das Stress verstärkt (Brosschot, Verkuil & Thayer, 2010).

Was sagt die Forschung?

Gesundheitliche Vorteile:
Studien zeigen, dass expressives Schreiben zu weniger Arztbesuchen, niedrigeren Cortisolwerten und reduzierten körperlichen Stresssymptomen führen kann (Hirai, 2012; Gao, 2022).

Psychologische Vorteile:
Es kann Symptome von Depression, Angst und posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) reduzieren. Wer über belastende Ereignisse schreibt, verarbeitet Emotionen besser und entwickelt wirksamere Bewältigungsstrategien (Belfi et al., 2022; Landoni et al., 2023; Litz, 2021).

Besonders wertvoll für Führungskräfte ohne „Ventil“:
Wer keine sichere Möglichkeit zum „Dampf ablassen“ hat – etwa weil man in der Chefrolle nicht frei sprechen kann – profitiert besonders stark vom Schreiben (Feinstein, 2019).

Langfristige Wirkung:
Positive Effekte können über Monate anhalten: weniger Belastung, mehr psychische Stabilität (Litz, 2021; Feinstein, 2019).

Grenzen der Methode

Expressives Schreiben reduziert nicht immer sofort das gefühlte Stresslevel.
Der eigentliche Gewinn liegt darin, besser mit Stress umgehen zu können und langfristig resilienter zu werden (Larzelere & Jones, 2008).

So probierst du es aus – in nur 15 Minuten

  1. Plane deinen Schreibraum: Such dir bewusst einen Moment und einen Ort, an dem du ungestört bist – ohne E-Mails, ohne Handy, ohne „nur schnell noch…“.

  2. 15–20 Minuten nur für dich: Stell den Timer. So schaffst du einen klaren Rahmen und kannst dich ganz auf den Prozess einlassen.

  3. Schreib dich frei: Wähle ein aktuelles oder kürzlich erlebtes belastendes oder stressiges Ereignis. Beschreibe nicht nur die Fakten, sondern auch deine Gedanken, Gefühle und wie du die Situation erlebt hast – und warum. Je mehr Details, desto wirksamer.

  4. Vergiss Regeln und Schönschrift: Dein Text muss nicht lesbar, logisch oder stilistisch perfekt sein. Es ist kein Literaturwettbewerb, sondern ein Werkzeug für deine mentale Gesundheit.

  5. Wiederhole und beobachte: Schreib an drei bis vier Tagen hintereinander. Achte in den nächsten Wochen auf Veränderungen – vielleicht wirst du gelassener in Meetings, ärgerst dich weniger im Straßenverkehr oder schläfst tiefer. Oft sind es die kleinen Dinge, die den größten Unterschied machen.

Für Führungskräfte ist expressives Schreiben mehr als nur eine Technik gegen Stress – es ist ein stilles, wirksames Werkzeug, um einen klaren Kopf und emotionale Balance zu behalten, wenn der Druck steigt.
Und das Beste: Es kostet nichts außer ein paar Minuten deiner Zeit.

 

Belfi, L. M., Jordan, S. G., Chetlen, A., Deitte, L. A., Frigini, L. A., Methratta, S. T., Robbins, J., Woods, R., Benefield, T., & Jay, A. K. (2022). Self-Care and Storytelling for Radiologists: A Feasibility Study. Current Problems in Diagnostic Radiology, 51. https://doi.org/10.1067/j.cpradiol.2021.06.010

Brosschot, J. F., Verkuil, B., & Thayer, J. F. (2010). Conscious and unconscious perseverative cognition: Is a large part of prolonged physiological activity due to unconscious stress? Journal of Psychosomatic Research, 69. https://doi.org/10.1016/j.jpsychores.2010.02.002

Feinstein, B. A. (2019). A Multilevel Approach for Reducing Mental Health and Substance Use Disparities Affecting Bisexual Individuals. Cognitive and Behavioral Practice, 26. https://doi.org/10.1016/j.cbpra.2017.10.003

Gao, X. (2022). Research on Expressive Writing in Psychology: A Forty-year Bibliometric Analysis and Visualization of Current Status and Research Trends. Frontiers in Psychology, 13. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2022.825626

Hirai, M. (2012). An Investigation of the Efficacy of Online Expressive Writing for Trauma-Related Psychological Distress in Hispanic Individuals. Behavior Therapy, 43. https://doi.org/10.1016/j.beth.2012.04.006

Landoni, M., Silverio, S. A., Ciuffo, G., Daccò, M., Petrovic, M., di Blasio, P., & Ionio, C. (2023). Linguistic features of postpartum depression using Linguistic Inquiry and Word Count text analysis. Journal of Neonatal Nursing, 29. https://doi.org/10.1016/j.jnn.2022.04.001

Larzelere, M. M., & Jones, G. N. (2008). Stress and Health. Primary Care: Clinics in Office Practice, 35. https://doi.org/10.1016/j.pop.2008.07.011

Litz, B. T. (2021). A Public Health Framework for Preventing Mental Disorders in the Context of Pandemics. Cognitive and Behavioral Practice, 28. https://doi.org/10.1016/j.cbpra.2020.11.004